Das erste was ich feststellten musste ist, schwul ist nicht gleich schwul.
Das ist ebenso eine profunde Erkenntnis, wie auch eine sehr einfache und trifft mit ebensolcher Präzision auch auf Heteros zu. Schließlich ist ja schwul oder hetero zu sein, nicht das Einzige, das einen Menschen ausmacht und - wenn auch oft überbewertet - nicht das Wichtigste.
Man liest viel vom aktiven und passiven Partner. Wie kann man sich das vorstellen?
Gerne wird eine klischeehafte Rollenverteilung aus der üblichen Mann/Frau Beziehung (die so heute auch nicht mehr stimmt) übernommen, um sich eine Mann/Mann Beziehung besser vorstellen zu können. Da ist dann der penetrierende Partner der Aktive (der Mann), während der penetrierte der Passive (somit die Frau) ist. So weit, so einfach so falsch. Viele Sexpraktiken stellen ja eigentlich eine völlige Rollenumkehr dar, so ist zB bei einem Blowjob oder in der Reiterstellung jener der Aktive, der penetriert wird.
Sind beide Seiten gleichgestellt oder ist einer der Aktive und der andere der Passive?
Das sind zwei Themen, die idR gar nichts miteinander zu tun haben. Natürlich gibt es auch Partnerschaften mit eher submissivem Charakter, in denen der penetrierende Partner, den anderen nach Lust und Laune "benützt" und die einen erheblichen Teil ihres Lustgewinns aus dieser Rollenverteilung schöpfen, jedoch ist der Prozentbereich derer wohl dem der Heteros ähnlich.
Warum wird der Passive immer als schwach und schwul bezeichnet?
Von "immer" kann eigentlich nicht die Rede sein, allerdings wird kulturell bedingt sehr häufig vor allem passiver Analverkehr als "unmännliches Verhalten" gesehen. Dass der Analbereich bei ALLEN Männern eine extrem sensible erogene Zone darstellt, wird gerne verschwiegen und unterdrückt und so kommt es eben auch zu dem Paradoxon, dass diese auch bei Heterosex ausgespart wird, aus Angst, etwas "Schwules" damit an zu stellen.
Irgendwo hab ich auch gelesen das es schwule gibt, die ihren Hintern hüten wie ihren Augapfel. Sind die dann 100% aktive Partner. Woran liegt das?
Das kann an den oben genannten Gründen liegen (klischeehaftes Rollenverständnis) oder schlicht auch daran, dass manche Männer (und da sind eben auch wieder alle gleich) keinen Lustgewinn dabei verspüren, wenn etwas/jemand in ihren Hintern eindringt. Das ist nicht mal so, dass sich so ein Mann einen Partner suchen muss, der gerne gefickt wird; viele Paare praktizieren eben keinen Analverkehr. Vor allem bei schnellem Sex und ONS wird sehr viel mehr Oralverkehr und Wichsen praktiziert.
Und warum ist es eine Art Demütigung?
Das ist es eben nur, wenn es nicht freiwillig geschieht. Gegen den Willen in einen Menschen einzudringen, ihn "in Besitz zu nehmen", hat etwas Erniedrigendes und Demütigendes (s. Vergewaltigung). Das genaue Gegenteil davon erleben Partner (egal welchen Geschlechts) bei Freiwilligkeit. Dabei stellt der Geschlechtsakt eine Vereinigung dar, die aus Geben und Nehmen besteht.
Ich glaube viele Menschen haben bezüglich Sexualität ein Schubladendenken. Das ist meiner Meinung hier schwer anwendbar. Es gibt soviele Nuancen der Sexualität. Deshalb ist schwul nicht gleich schwul. Und Hetero auch nicht gleich Hetero, von allen dazwischen ganz zu schweigen.
Ich hätte es nicht besser erklären können.
Was mich noch interessieren würde, woran liegt es das man es einigen nicht anmerkt oder ansieht und bei den anderen weiß man es direkt.
Einerseits liegt das am klischeehaften Denken, das sich in der Realität ja auch oft erfüllt, so wirst Du beim Friseur Deiner Frau eher vermuten, dass er schwul ist als bei Deinem muskelbepackten Automechaniker, kannst aber bei den beiden auch völlig daneben liegen.