Das Spielen zur Sucht werden kann wie alle sonstigen Drogen und mit Belohnungsreiz verbundenen Angebote, ist wohl unbestritten. Ich selbst habe im Familien- und Bekanntenkreis welche, die ihre Spielsucht fast ruiniert hat. Dass man daher - insbesondere wenn man dazu aus charakterlichen oder psychologischen Gründen besonders "geeignet" ist - um solche "Angebote" einen riesen Bogen machen sollte, muss man nicht lange erklären.
Insbesondere bei Glücksspielen - und dazu gehören nicht nur Kasino- oder Automatenspiele, sonder natürlich auch Lotto und Lotterien - geraten die Spieler oft in bestimmte, typische Denkfallen. Vor allem, weil die persönliche Intuition, das "gefühlt Naheliegende", stärker wirkt als die nüchternen, mathematischen Tatsachen. Damit reden sich Spielsucht-Gefährdete oder schon Süchtige ihre eigene Situation schön, bzw. geben sie sich selbst eine Rechtfertigung, warum sie jetzt unbedingt noch weiter spielen müssen. Vielleicht sind Euch diese Dinge ja bekannt, aber vielleicht halten diese Fakten auch den einen oder anderen davon ab, überhaupt mit diesem Blödsinn anzufangen.
1. Die Bank gewinnt (auf lange Sicht) immer:
Damit ist erstens gemeint, dass die Spielregeln stets und überall so ausgelegt sind, dass der Veranstalter im Mittel mehr einnimmt als er an Gewinnen auszahlen muss. Bei manchen Glücksspielen ist die Gewinnmarge unmerklich klein (aber Kleinvieh macht halt auch Mist), wie z.B. beim Roulette, wo pro eingesetztem Euro die Bank etwas weniger als 1/37 Euro gewinnt (der Rest wird wieder ausgeschüttet), bei manchen aber auch unverschämt hoch (z.B. beim Lotto 6 aus 49, wo nur 50% der Einsätze wieder als Quoten ausgeschüttet werden; die anderen 50% sind eine nette zusätzliche Stastseinnahme). Mit anderen Worten: spielt Ihr über lange Zeiträume hinweg Roulette, ist das Schlimmste, was Euch passieren kann, dass in Summe etwa 1/37 Eurer Einsätze verloren gingen. Roulette wird daher als annähernd faires Spiel bezeichnet (ein faires Spiel ist eines, bei dem genauso viel Geld eingezahlt wie ausgeschüttet wird). Bei jahrzehntelangem Lottospielen dagegen verliert Ihr im Schnitt die Hälfte Eures Einsatzes. Zweitens ist damit auch ausgesagt, dass sämtliche Spielsysteme, die versuchen, dieses Prinzip auszuhebeln, durch besondere Regeln zum Scheitern verurteilt sind. Meistens dadurch, dass diese besonderen Regeln im System nicht berücksichtigt werden, oder dass die Auswirkungen von deren Nicht-Berücksichtigung sträflich unterschätzt werden (typisches Beispiel ist das "System vieler Roulette-Spieler, bei Verlust den Einsatz in der nächsten Runde zu verdoppeln, um mit dem möglichen Gewinn sowohl diesen und den Einsatz der letzten Runde(n) wettzumachen; dies scheitert an den in Spielcasinos immer herrschenden Höchsteinsätzen pro Spiel und Person: hat man bis zum Erreichen der Höchstgrenze keinen Gewinn gemacht - und das kann bei Verdoppelung des Einsatzes in jeder Runde sehr schnell gehen -, verliert man alles bisher Eingesetzte).
2. "Gleich kommt meine Zahl!" - Das "Gesetz der Großen Zahl" vs. "Stochastische Unabhängigkeit":
Eng mit dem Punkt 1 verknüpft ist das Gesetz der großen Zahl: Dieses besagt zwar, dass sich die statistische Verteilung von Ereignissen eines Zufallsexperiments nach hinreichend häufiger Wiederholung den theoretischen Werten annähert (z.B. wird das Ereignis "Es wurde die Zahl Sechs gewürfelt" bei einem korrekten Würfel nach sehr vielen Würfen immer genauer den Wert 1/6 als Anteil aller Würfelereignisse annehmen). Auf dieser Tatsache fußt z.B. die Hoffnung bzw. feste Erwartung eines Spielers, wenn ein paarmal hintereinander keine "Sechs" gewürfelt wurde, dass nun die Wahrscheinlichkeit steigt, dass beim nächsten Wurf eine "Sechs" kommt. Dieser vermeintlich logischen Erwartung steht die Tatsache der stochastischen Unabhängigkeit zweier hintereinander ausgeführten Experimente entgegen. Zwei Ereignisse A und B sind stochstisch unabhängig, wenn die Wahrscheinlichkeit, dass A und B gemeinsam auftreten, genauso hoch ist wie das Produkt aus den Einzelwahrscheinlichkeiten von A und B, als Formel: P(A) * P(B) = P(A und B). Oder anders ausgedrückt: wenn die Wahrscheinlichkeit, dass B stattfindet, nicht davon abhängt, ob auch A stattgefunden hat: P(B|A) = P(B). Gemäß dem Motto: "Lächle, wenn es regnet, denn wenn Du nicht lächelst, regnet es auch". Um ein Beispiel zu nennen: Die Wahrscheinlichkeit, dass bei dem tausendsten Wurf eines Würfels eine "Sechs" kommt, nachdem 999 x keine "Sechs" kam, ist genau so hoch wie bei jeder anderen Vorgeschichte von 999 Würfen. Und sie ist genauso hoch wie nach 10 Würfen. Nämlich immer 1/6. Diese beiden statistischen Eigenschaften, das Gesetz der Großen Zahl und die stochastische Unabhängigkeit von Ereignissen, bilden intuitiv für des menschliche Empfinden unvereinbare Gegensätze ("Wenn eine Zahl eine Zeit lang nicht gewürfelt wurde, dann wird es doch immer wahrscheinlicher, dass sie das nächste mal kommt!"). Um das Beispiel von Punkt 1 beim Roulett nochmals aufzugreifen: Es bringt nichts, wenn man auf Rot und immer wieder nur auf Rot setzt, um den Einsatz jedes Mal zu verdoppeln (in der Hoffnung, dass beim nächsten Mal "umso wahrscheinlicher" die Kugel auf eine rote Zahl fällt). Genauso gut könnte man bei der nächsten Runde auf eine beliebige andere Farbe setzen.
3. Höhere Quoten erhöhen nicht die Gewinnwahrscheinlichkeiten:
Es ist ein immer wieder zu beobachtendes Phänomen, dass bei voraussichtlich besonders hohen Quoten (z.B. einem Jackpot im Lotto) die Anzahl und Höhe der Spieleinsätze von Teilnehmern im Vergleich zu sonst stark steigen. Bei der Ausspielung gibt es dann oft ganz gewöhnliche oder sogar noch niedrigere Quoten in der fraglichen Gewinnklasse als sonst. Warum? Durch die vielen Wetteinsätze gibt es natürlich auch proportional dazu mehr Leute, die sich den Gewinn mit den anderen teilen müssen. Der Prozentsatz, wie viel der verfügbaren Ausschüttungssumme auf eine Gewinnklasse ausgeschüttet werden, ist aber von vorneherein festgelegt. Wenn man als Mit-Gewinner Pech hat, liegt dann aufgrund der vielen Teilnehmer die Anzahl der Gewinner in einem statistischen Mittelwert, der höher ist als an anderen Wochenenden, an dem nur eine Handvoll Leute gewinnt und die Anzahl Gewinner daher im Vergleich stärker vom Mittelwert abweichen kann. Im Endeffekt muss man sich seinen Gewinn dann mit mehr Leuten teilen als an "schwächeren" Tagen.
4. Die sogenannten "Glückszahlen":
Insbesondere beim Lotto mit seinem hohen Zahlenbereich von 1 bis 49 sind bestimmte "Glückszahlen" bei den Tippern sehr beliebt. Das sind natürlich die 7 und witzigerweise auch die 13, aber vor allem auch Bestandteile des Geburtsdatums, wie "19" für Neunzehnhundert... Aber dieses Zahlen kommen eben nicht nur bei einem einzelnen Teilnehmer vor, sondern bei sehr vielen. Wird dann eine oder mehrere dieser Glückszahlen gezogen, sinken die Gewinnquoten in den Keller, weil überdurchschnittlich viele Leute eben nicht zufällige Zahlen tippen, sondern eben solche Glückszahlen, und entsprechend sich die Gewinne häufen, wenn sie denn mal gezogen werden. Will man also viel gewinnen, sollte man am besten nicht auf Allerweltszahlen wie 7 und 19, sondern am besten auf große Tahlen über 31 tippen. Denn auch die Zahlen 1 bis 31 (als Monatstag der Geburt) sowie insbesondere 1 bis 12 (als Monat der Geburt) werden überdurchschnittlich häufig getippt. Auf die Wahrscheinlichkeit, welche Zahlen denn nun gewinnen, hat diese Wahl ja ohnehin keinen Einfluss, sehr wohl aber auf die Quoten, falls mal ein Gewinn eintritt.
Mir ist klar, dass diese Argumente niemanden vom Spielen abhalten werden, der nicht schon ein Suchtpotenzial entwickelt hat. Aber vielleicht verannlasst es den einen oder anderen, gar nicht erst damit anzufangen. Es ist alles einfach eine riesen Geldschneiderei und eine Lizenz zum Gelddrucken für die Betreiber. Der Spieler ist am Ende immer der Dumme, und das alles für einen kleinen Nervenkitzel. An ADMGs Bericht haben wir ja schon gesehen, welche Faszination es ausüben kann, um höhere Summen zu zocken. Wir sind alle irgendwie süchtig nach dem nächsten Adrenalin-Kick. Und bei alldem haben wir das Thema "betrügerische Machenschaften" noch gar nicht berührt, z.B. Manipulation von Karten oder Spieltischen in Casinos, oder evtl. digitale "Optimierung" der Spielergebnisse in Online-Casinos...
Ich will auch nicht denjenigen verurteilen, der mal ein paar Münzen in den Spielautomaten an der Autobahnraststätte wirft, oder es seinen Kindern erlaubt. Aber wir kennen es ja aus anderen Süchten, dass aus dem "leichten Einstieg" schnell eine handfeste Abhängigkeit werden kann. Auch ziemlich perfide finde ich die diversen "Einsteiger-Boni", die dem Neuling den Einstieg in die Online-Casinowelt "erleichtern" sollen. Diese verleiten erst recht, hoch zu zocken, gleich am Anfang viel zu ver-zocken und durch diese Schulden gezwungen, weiterzuspielen. Doch jeder eingesetzte Euro ist ein Euro zuviel.
Interessanterweise verdient der Staat besonders gut an Dingen, die mit einem Suchtpotenzial versehen sind. Getränke mit Alkohol (Branntweinsteuer/Schaumweinsteuer/Alkopopsteuer...), Zigaretten (Tabaksteuer und Einfuhrzölle), Lotto (50% der Einnahmen), Lotterien und Glücksspiele (Vergnügungssteuer, Lizenzen). Erstaunlich, dass Videospiele an sich noch nicht versteuert sind (oder weiß ich da was noch nicht), aber auch da verdient der Staat ja am Umsatz der Firmen, die den "Stoff" verticken. Schon ein bisschen perfide, dass zwar riesige Warnungshinweise auf der Zigarettenpackung prangen, aber der Staat fleißig Geld damit verdient. Auf der anderen Seite schädigen die Süchte die Gesundheit (Belastung des Gesundheitssystems) und oft auch das Umfeld der Betroffenen (Verschuldung, Belastung der Partnerschaft, Verlust des Arbeitsplatzes) sowie seine sozialen Beziehungen.
Ich schreibe das nicht aus dem Blauen heraus, sondern in meiner Kindheit hatte meine Familie jahre- bis jahrzehntelang unter der Spielsucht meines Vater zu leiden. Es war zwar nur Lotto, aber es waren regelmäßig 20-30 DM pro Woche, die er verzockte, und wir brauchten dieses Geld dringend, da mein Vater oft arbeitslos war. Dass er dabei auch noch literweise jeden Abend in Bier "investierte", versteht sich wohl von selbst...